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Ausführungen zu „politischen Forderungen“ #ArmutVerbindet

Forderung 1:

„Sofortige armutsfeste Erhöhung der Regelsätze auf 725 € im SGB II/XII und im AsylbLG“

Sozial-, und Wohlfahrtsverbände, Erwerbsloseninitiativen- und Vereine, später hinzukommenden Gewerkschaften, Frauenverbände, Geflüchtetenverbände, DIE LINKE und Leistungsberechtigte aller Grundsicherungen fordern schon lange eine existenzsichernde Grundsicherung. Nicht nur die derzeitigen Preissteigerungen machen es notwendig. Vielmehr liegt es an der mangelhaften Fortschreibung der Regelbedarfsberechnung in der Vergangenheit und in der Gegenwart.

Eine ausführliche Stellungnahme von Inge Hannemann gab es im November 2020 im Ausschuss für Arbeit und Soziales in Berlin zu:

„Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes“

https://www.bundestag.de/resource/blob/801446/c7f4e36831730f6827f6b2e4c0786276/19-11-802-Hanemann-data.pdf

Aus diesem Grund verzichten wir hier auf die Geschichte zur Entwicklung der Bedarfsberechnung bei den Regelbedarfen. Eine aktuelle Gegenüberstellung hat der Paritätische erstellt, die aufzeigt, dass die aktuellen Regelsätze im Bürgergeld nicht existenzsichernd sind:

https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Seiten/Presse/docs/Kurzexpertise_PariForschungsstelle_Regelbedarfsermittlung2023.pdf

Die Grundkritik, dass die jetzigen Regelbedarfe künstlich kleingerechnet sind, finden sich in allen Papieren wieder. Die Basis, auf der die Berechnungen erfolgen ebenso. Die Inflexibilität der stagnierenden Regelbedarfe, dass diese bis heute nicht an die Preisentwicklung angepasst werden, ist nicht nachzuvollziehen. Und noch mehr: Es führt in die Armutsspirale und zementiert sie!

Forderung 2:

“Raus mit den inkludierten Stromkosten aus den Regelsätzen. Übernahme der Stromkosten innerhalb der Mietkosten (Kosten der Unterkunft). Entlastung bei den Heizkosten für Menschen in Armut

Die Kosten wachsen den Menschen über den Kopf – unabhängig vom Status. Entlastungspakete sind gut, lösen aber nicht dauerhaft das eigentliche Problem und sind somit nur kurzweilig. Insbesondere erreichen sie nicht alle. Eine unbürokratische Hilfe hat z.B. Tacheles e.V. für die Bereiche SGB II/XII und AsylbLG erarbeitet: https://bit.ly/3b79JCR

Die nächste Problematik besteht in der Übernahme der, mal einfach ausgedrückt, Betriebskosten im Bereich SGB II/XII. Diese werden im Rahmen der Kosten der Unterkunft, zumeist mit einer Pauschale pro Quadratmeter, individuell regional festgelegt. Aufgrund der nun bestehenden steigenden Energiekosten müssen auch diese unbedingt sofort angepasst werden, umso einen realistischen Kostensatz zu haben, damit hohe Nachzahlungen vermieden werden. Strom: Da gibt es nur einen Weg: Übernahme der tatsächlichen Stromkosten und Herausnahme dieser aus den Regelsätzen. Parallel dazu sollten diese den Kosten der Unterkunft hinzugefügt werden. Check24 hat errechnet, dass die “Durchschnittlichen Stromkosten 25 Prozent über den Regelbedarf” liegen (Stand 5.1.2023).

https://www.check24.de/strom/news/strompreise-2023-neues-buergergeld-reicht-nicht-fuer-stromkosten-70746/

Im Rahmen des Bürgergeldes werden 42,55 Euro für Energiekosten bei einer alleinstehenden Person übernommen. Hartz IV.org hat es in einem Tortendiagramm dargestellt:

Tortendiagramm Bürgergeld Regelsatz 2023 für eine alleinstehende Person – Quelle: harziv.org

Forderung 3:

„Abschaffung der Sanktionen (Leistungsminderungen) beim Bürgergeld“

Zwischen Oktober 2021 und September 2022 lag die gleitenden Jahressumme aller Sanktionen gegenüber Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigten bei 219.267 (Quelle: Statistik Bundesagentur für Arbeit). Das waren Menschen, die mindestens von einer Sanktion betroffen waren. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, wie sich Sanktionen gegenüber Leistungsberechtigten von Grundsicherungen auswirken. Dazu eine Studie vom Wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung:

https://www.bundestag.de/resource/blob/497906/f2a6382d0a8b3d3afbf9bb4dffdabc59/wd-6-004-17-pdf-data.pdf

Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Geldkürzungen zur Isolation führen und das sie die Armut verstärken.

Es ist ein Armutszeugnis, dass mit dem Bürgergeld, das Sanktionsmoratorium um sechs Monate verkürzt wurde. Das Versprechen bis Ende Juli keine Sanktionen im Hartz IV auszusprechen, wurde so gebrochen!

Abschließend:

Das soziokulturelle Existenzminimum als Grundrecht ist abgeleitet von der Würde des Menschen. Die Gewährung des Grundrechts ist weder vom Wohlverhalten noch von der Herkunft des Menschen abhängig. Grundrechte kürzt man einfach nicht. Schaffen Sie die Sanktionen beim Bürgergeld ab!

Forderung 4:

„Soziale Beziehungen gehören zur gesellschaftlichen Teilhabe!“

Wer arm ist, ist von sozialer Ausgrenzung bedroht oder bereits ausgegrenzt. Es ist eine Folge von Armut. Eine Ausgrenzung liegt immer dann vor, wenn die soziale Inklusion nicht gegeben ist. Die Ausgrenzung findet gezwungenermaßen statt; selbst dann, wenn die Armen sich um Inklusion bemühen. Aufgrund zu enger finanzieller Mittel funktioniert es nicht. Ganz einfach ausgedrückt. Diese Forderung fordert nichts anderes, als dass die Regierung, die zentrale Aufgabe unseres Staates den Armen eine volle gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Warum? Der allgemein verwendete Armutsbegriff orientiert sich nicht nur am physischen Überleben, sondern auch am sogenannten soziokulturellen Existenzminimum. Hier gibt es unterschiedliche Ansätze. Auf einen möchten wir den Fokus legen: Der Deprivationsansatz, der auch von der EU verwendet wird und 9 Items enthält. Drei Beispiele: Wer sich nicht eine Woche Urlaub im Jahr leisten kann, wer sich kein Telefon leisten kann oder wer sich keine Waschmaschine leisten kann, ist von materieller Deprivation betroffen. Ein Telefon trägt zu sozialen Kontakten bei, ebenso saubere Wäsche. Auch Urlaub bei Freunden oder mit der Familie zählt dazu. Wer das nicht finanzieren kann, ist von sozialer Exklusion betroffen! Dazu gehören ebenso familiäre und soziale Beziehungen. Soziale Teilhabe zählt zur unantastbaren Menschenwürde dazu. Menschen, die wenig und sehr wenig Geld haben, haben auch das Recht auf familiäre und soziale Beziehungen. Das Bürgergeld, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie das Asylbewerberleistungsgesetz sollen eigentlich das soziokulturelle Existenzminimum sichern. Und doch tut es dieses nicht in allen Fällen.

Hartz IV unterschreitet Armutsgefährdungsschwelle um über 30 Prozent

https://www.hartziv.org/news/20220510-hartz-iv-unterschreitet-armutsgefaehrdungsschwelle-um-ueber-30-prozent/

So kommt es vor, dass Grundsicherungs-Leistungsberechtigte aller Arten unterhalb der 60-Prozent-Armutsgrenze, trotz eigentlicher sog. existenzsichernder Grundsicherungen, fallen. Sanktionen verschärfen dieses noch zusätzlich (Randbemerkung). Hier wird die Bundesregierung ihrer eigenen Gesetzgebung und ihrem eigenen Anspruch, allen Bürgerinnen und Bürger das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, nicht gerecht. Aus diesem Grund muss eine signifikante Erhöhung in die Regelbedarfe einfließen, um schon ihrem eigenen politischen Anspruch und ihrem Koalitionsvertrag gerecht zu werden: „(…) damit die Würde des Einzelnen geachtet und gesellschaftliche Teilhabe besser gefördert wird“.

Forderung 5:

„Mobilität für alle!“ 9-Euro-Ticket Fortsetzung!

Das 9-Euro-Ticket gab den von Armut betroffenen Menschen die Chance endlich mal aus ihren eigenen vier Wänden herauszukommen, um ihre Familie oder ihre Freunde außerhalb ihres eigenen engeren Umkreises ihrer Stadt zu besuchen. Politisch wurde nun ein 49-Euro-Ticket beschlossen. Auch, wenn knapp über 40 Euro für Fahrtkosten im Regelsatz der Grundsicherungen inkludiert sind, ist diese Summe kaum aufzubringen. Zum einen, weil aus dem kargen Regelsatz die steigenden Energiekosten, die nur im angemessenen Rahmen von den Grundsicherungsämtern übernommen werden, bezahlt werden müssen. Die steigenden Stromkosten und der Satz im Bürgergeld reichen schon längst nicht mehr aus. Aus diesem Grund muss bei anderen Posten aus dem Regelsatz Geld herausgenommen werden. Die Menschen bleiben somit wieder in ihren eigenen vier Wänden sitzen. Um familiäre und soziale Teilhabe zu gewährleisten muss für diese Menschen, inkl. für Bezieher:innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets eingeführt werden.

Forderung 6:

„Bürokratieabbau und hin zu einem würdevollen Umgang in den Grundsicherungsbehörden“

Im Koalitionsvertrag heißt es:

„Die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern wir so, dass künftig eine Beratung auf Augenhöhe möglich ist und eine Vertrauensbeziehung entstehen kann“ ( S. 59).

„Durch die Einführung einer Bagatellgrenze in Höhe von bis zu 50 Euro werden wir die Jobcenter von Bürokratie entlasten“ ( S. 61).

Das Positive zuerst: Die Einführung einer Bagatellgrenze von bis zu 50 Euro ist schon mal ein Anfang – für beide Schreibtischseiten. Es wurde erkannt, dass die jetzige Bürokratie in den Jobcentern sehr hohe Hürden hat. Für alle. Und trotzdem ist dieser Punkt in den Forderungen enthalten. Wer über die Jahre die Berichte von den Grundsicherungsleistungsberechtigten verfolgt hat, wird bemerkt oder gehört haben, dass Unterlagen in den Behörden „verloren“ gehen, dass sie Monate auf Bearbeitung ihrer Anträge warten (in der Zeit stehen die Menschen ohne Geld da) oder, dass einzelne Ämter so ihre eigenen Regeln aufstellen:

“Nach Kritik: Jobcenter Stade zieht Sexpartner-Fragebogen zurück”

https://www.wz.de/panorama/nach-kritik-jobcenter-stade-zieht-sexpartner-fragebogen-zurueck_aid-27764517

Einzelfall? Mitnichten! Fakt ist: Unsere Bürokratie muss im in den Jobcentern, Grundsicherungsämtern und Ausländerbehörden menschlicher werden. Die Zeit dafür ist schon lange überreif. Der Knackpunkt liegt jedoch noch woanders. Er liegt in der Machtausübung hinter den Schreibtischen, auf den Einzelne leider kaum Einfluss haben. „Augenhöhe“ und „Vertrauensbasis“ kann nur dann in Teilen entstehen, wenn kein Druck entsteht. Druck erzeugt Gegendruck. Alte und bekannte Weisheit. Es müssen die Mechanismen abgeschafft werden, die eine Augenhöhe oder eine Vertrauensbasis verhindern. Das sind oftmals: Sanktionen, Zwang eines Besuches in sinnlose Trainingsmaßnahme, Zurückhaltung von Grundsicherungsleistungen, um die Menschen an den Tisch zu bekommen oder fehlende mangelhafte Auskünfte. Stattdessen sollte für beiden Schreibtischseiten Zeit füreinander gegeben werden. Zeit für: Das Ausloten für passgenaue Stellenangebote oder Ausbildungen, passende anerkannte Qualifizierungen, Zeit für physische oder psychische Stabilisierung.

Forderung 7:

„(Über)Reichtum besteuern“

Die soziale Ungleichheit steigt rasant. So schreibt „Oxfam“:

„Konzerne machen Rekordgewinne und die reichsten Menschen werden noch reicher, was zu einer Explosion der sozialen Ungleichheit führt, die immer extremere Ausmaße annimmt“

(https://www.oxfam.de/ueber-uns/publikationen/oxfams-bericht-sozialer-ungleichheit-umsteuern-soziale-gerechtigkeit).

81 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses, der zwischen 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, flossen an das reichste Prozent der Bevölkerung. Die restlichen 19 Prozent des Zuwachses entfielen auf die übrigen 99 Prozent der Bürger:innen, so Oxfam weiter. Oxfam sieht die Ursachen der verschärfenden Ungleichheit in unserem Wirtschaftssystem, „dessen handlungsleitendes Prinzip es ist, Profite für Konzerne und ihre Eigentümer*innen vor die konsequente Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Erde zu stellen“. Jeder weiß inzwischen, dass das Vermögen der deutschen Bevölkerung total ungleich verteilt ist, bedenkt man allein, dass gut ein Drittel dieses Vermögens einem Prozent der Bevölkerung gehören (https://www.diw.de/de/diw_01.c.793802.de/publikationen/wochenberichte/2020_29_1/millionaerinnen_unter_dem_mikroskop__datenluecke_bei_sehr_ho___geschlossen______konzentration_hoeher_als_bisher_ausgewiesen.html). Eingeredet wird uns, dass wir mit einer unterstützenden Beschäftigungspolitik „Arbeit für alle“ aus der Armut entkommen. Dabei wird übersehen, dass wir damit die kapitalistischen Unternehmen fördern und begünstigen und den Rest dem Markt überlassen. Es ist eine Interessenspolitik für die Unternehmen und für die reichen Menschen, solange unsere Lohnpolitik an der Armutsgrenze entlang schlittert.

1997 wurde unter Kohl die bis dato erhobene Vermögenssteuer abgeschafft. Die aktuelle Erbschaftssteuer führt dazu, dass Erb:innen, die über zehn Millionen erben, gar keine Steuern darauf bezahlen müssen. Der größte Teil unserer Steuern wird über Verbrauchssteuern, wie die Mehrwertsteuern eingenommen (44 Prozent). Die Steuer auf Vermögen liegt gerade mal bei vier Prozent und Steuern für Unternehmen auf etwa 14 Prozent (Oxfam). Das bedeutet, dass unser Steuersystem neu gestaltet werden muss. Eine Reichensteuer (Vermögenssteuer) und eine damit verbundene Umverteilung kann die Ungleichheit verringern. Durch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise profitieren die Händler und Energiekonzerne. Deren Gewinne müssen als Übergewinnsteuer abgeschöpft werden. Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer beenden.

Forderung 8:

Mindestlohn in Höhe von 15 Euro“

“Ein armutsfester Mindestlohn, überall! In Werkstätten für Menschen mit Behinderung und in Gefängnissen, sowie eine Entlohnung pflegender Angehöriger“.

Der Mindestlohn in Höhe von 12 Euro kam im Oktober 2022. Ein „Mehr-Fortschritt-Wagen“. Armutsfest ist er damit nicht, sondern wie Sie Hubertus Heil richtig im Februar bemerkte: Er wird „armutsfester“.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/mindestlohn-erhoehung-arbeitsminister-heil-100.html

Allerdings müsste man (n) / frau 45 Jahre lang 39 Wochenstunden für 12,21 Euro arbeiten, um eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu erhalten.

Forderung 9:

„Mindestlohn in Höhe von 15 Euro in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM)“

Der Lohn in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung beträgt durchschnittlich, laut des BMAS Ministerium, rund 220 Euro monatlich. Dafür arbeiten die Menschen zwischen 30 bis 35 Stunden pro Woche! Umgerechnet weit weg vom Mindestlohn.

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-586-l-studie-entgeltsystem-menschen-mit-behinderungen-zwischenbericht-ls.pdf;jsessionid=C76C6DA93BB2B14E79A2FD557C0D6900.delivery1-replication?__blob=publicationFile&v=6

Den Rest ihres Lebensunterhaltes beziehen diese Menschen mit ergänzender Grundsicherung. Ein Aufbau von Vermögen ist ihnen damit nicht erlaubt. Mit dem niedrigen Stundenlohn durch die Werkstätten auch unmöglich. Und gleichzeitig produzieren sie für Firmen hochwertige Produkte. Sozial schwache Unternehmen, die über Sozialleistungen ihre Gewinne einstreichen. Dabei bleibt die Würde der Menschen in den WfbM auf der Strecke.

https://taz.de/Werkstaetten-fuer-Menschen-mit-Behinderung/!5858026/

Forderung 10: „Mindestlohn in Höhe von 15 Euro in den Gefängnissen“

Nicht so viel anders sieht es beim Mindestlohn im Gefängnis aus, der zwischen 1 bis 3 Euro pro Stunde liegt:

https://www.tagesschau.de/inland/gefaengnis-lohn-bverfg-101.html

In der Entlohnung bei den Menschen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung und in den Gefängnissen kommt gerne die Begründung, dass die Menschen von anderer Seite verpflegt oder ergänzende Gelder erhalten. Eine gerechte Entlohnung hat jedoch auch etwas mit Respekt und Anerkennung zu tun. Es ist eine Wertschätzung, die auch Menschen in Gefängnissen zuteil werden muss.

Forderung 11: „Mindestlohn in Höhe von 15 Euro für pflegende Angehörige“

Pflegende Angehörige erhalten ein sogenanntes Pflegegeld, welche in der Höhe vom jeweiligen Pflegegrad der/s zu Pflegenden und der in Anspruch zu nehmenden Leistung abhängig ist. Dieses Geld gehört der oder dem zu Pflegenden. Angehörige zu pflegen ist Arbeit, es ist eine Tätigkeit, die eine zuvor oftmals sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ablöst. Ein Verlust eines Gehaltes, was nicht ausgeglichen wird und Bürgergeld enden kann. Oftmals werden die eigenen Ersparnisse, die vielleicht für den eigenen Lebensabend gedacht waren, (zusätzlich) dafür aufgebraucht. Je nach Pflegegrad von Angehörigen kann die Pflege zur einer Vollzeittätigkeit werden. Egal ob es sich hier um die Oma, Opa, Eltern oder um die eigenen Kinder handelt. Es ist eine Tätigkeit, die in dem Fall unbezahlt ausgeübt wird. Es ist kein Ehrenamt, aber so gesehen wird. Natürlich geht aus Liebe vieles und ist selbstverständlich. Das steht hier auch nicht zur Diskussion. Zur Forderung steht: Anerkennung dieser Tätigkeit als zu entlohnende Erwerbstätigkeit, damit diese nicht zu einem Sozialfall werden, die in (Frauen)-Armut endet. Und damit die pflegenden Angehörigen Luft holen können und nicht im Kreislauf der ständigen Rechtfertigung stecken bleiben, warum sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen: Gegenüber den Behörden und gegenüber der Gesellschaft und der Politik.

Forderung 12:

„Kindergrundsicherung sofort und armutsfest“

Innerhalb des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich Ende März eine interministerielle Arbeitsgruppe Kindergrundsicherung konstituiert. Diese Seite offenbart, dass die Arbeitsgruppe bis „bis Ende 2023 in fünf thematischen Arbeitsgruppen ein Konzept für eine Kindergrundsicherung erarbeitet.“

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/interministerielle-arbeitsgruppe-kindergrundsicherung-konstituiert-sich-194724

Bis dahin gibt es den Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro ab Juli 2022. Folgende von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben Anspruch darauf:

  • Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder SGB XII);
  • Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz;
  • Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt;
  • oder für die Kinderzuschlag bezogen wird.

„Gut Ding will Weile haben“, sagt ein Sprichwort … und die Kindergrundsicherung tagt bis Ende 2023! Im Jahr 2025 soll die Kindergrundsicherung dann greifen. Lange Zeit bis dahin. Nur Armut hat keine Zeit mehr. Kinder sind unsere Gegenwart! Die bestehende Armut ist ja nicht neu, die bereits vorliegenden Konzepte sind da. Und es wird sich Zeit gelassen. Annalena Baerbock sprach 2019 im Bundestag von der Kindergrundsicherung folgendes:

„Kinder können nicht weiter warten. Kinder werden jeden Tag älter, aber sie leben weiterhin in einem System, das sie benachteiligt, und zwar massiv benachteiligt. Wenn Kinder spüren, sie gehören nicht zu dieser Gesellschaft, sie gehören nicht zu dieser Gemeinschaft, weil sie nicht mit ins Kino gehen können, weil sie nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie andere Kinder, dann findet eine Entfremdung, ein Rückzug statt. Deswegen ist die Bekämpfung der Kinderarmut nicht nur eine sozialpolitische Aufgabe, sondern sie ist eine Aufgabe zur Stärkung der Gesellschaft und der Demokratie in unserem Land.“

Forderung 13:

„Abschaffung der Bedarfsgemeinschaften in den Grundsicherungen“

Paare leben zusammen und erhalten dadurch monatlich 102 Euro weniger. Bedarfsgemeinschaften und Frauen: Hatten die Frauen bei der früheren Arbeitslosenhilfe bei Erwerbslosigkeit noch einen eigenständigen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, die sich an ihrem vorherigen Einkommen orientierte, wird das Arbeitslosengeld II möglicherweise für sie ganz gestrichen, wenn der Partner auch nur einen Euro zu viel verdient. Damit begibt sie sich unfreiwillig in die Abhängigkeit ihres Partners – und umgekehrt. Neben dem, dass der bisherige Lebensstandard natürlich zusätzlich extrem reduziert wird. Um dieses zu vermeiden gab es nicht umsonst in der damaligen Arbeitslosenhilfe auch weitaus höhere Freibeträge des Partnereinkommens. Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeld gehören abgeschafft.

Forderung 14:

„Bildungs- und Teilhabepaket vereinfachen!“

Seit 2011 gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket. Ergänzt wurden es 2019 durch das „Starke-Familien-Gesetz“ und gilt ab dem Säuglingsalter. So werden z.B. 174 Euro für den jährlichen Schulbedarf übernommen. Zusätzlich werden Mitgliedsbeiträge für Musik-, Sport oder Kulturvereine bezuschusst (15 Euro monatlich). Ebenso eintägige oder mehrtägige Klassen-, oder Kitafahrten. Dieser Punkt erscheint in den Forderungen, weil die Antragstellung häufig sehr kompliziert ist und darüber auch sehr wenig aufgeklärt wird, wenn überhaupt. Die nächste Frage stellte sich bei der Forderung: Kommt das Paket überhaupt an? Insbesondere, wenn es um die Förderung der Kinder im Rahmen eines Vereinslebens geht. Wie will ich den Sport meines Kindes finanzieren, wenn ich vielleicht mit 15 Euro den Sportverein bezahlen kann, aber nicht das Drumherum? Das wären z.B. die Sportbekleidung, die Freizeitaktivitäten (man rennt ja nicht nur auf dem Sportplatz herum). Wenn zwar das B&T in den Schulen, in der Kita vom Namen her bekannt ist, aber die Vorlaufzeiten zur Beantragung der Mittel, insbesondere, wenn es über die Jobcenter läuft, ignoriert werden, wird es schwierig bis gar unmöglich dieses in Anspruch zu nehmen. Das sind teilweise Hürden, die überwunden werden müssen und z.T. dazu führen, dass das Paket nicht in Anspruch genommen werden kann oder in Vorleistungen getreten werden muss. Obwohl dieses eigentlich gar nicht möglich ist. Der Paritätische fordert eine Totalreform des Pakets mittels eines echten Rechtsanspruchs auf Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen im Kinder- und Jugendhilferecht. Auch sie kritisieren die viel zu geringen Zuschüsse im Bereich der Mitgliedsbeiträge für Kultur usw. Die Organisation Librileo hat im Jahr 2021 festgestellt, dass die Abrufzahlen des B&T unter 30% liegen. Auch, wenn das Antragsverfahren bereits vereinfacht wurde, hat sich an den Abrufzahlen der letzten Jahre nicht viel geändert.

https://librileo.de/wp-content/uploads/2021/04/Pressemitteilung-20210421-gerechte_bildung-2.pdf

Könnte es auch daran liegen, wie es Librileo schreibt, dass „Betroffene schlechte Erfahrungen mit dem Jobcenter oder Sozialamt gemacht und zusätzliche Kontakte meiden“? Da die Kindergrundsicherung noch auf sich warten lässt, muss hier schleunigst eine andere Lösung gefunden werden, damit die Familien ihren Anspruch umfänglich wahrnehmen können. Ohne Scham und vor allem: Bundeseinheitlich, einfacher und unbürokratischer. Wie wäre es mit einer zentralen Stelle z.B. das Rathaus für das Paket, welches nicht die Schule betrifft? Und die Schulen für das Schulpaket?

Forderung 15:

„Inklusion ist ein Menschenrecht!“

“Ausbau barrierefreier ÖPNV, barrierefreier Zugang zur ärztlichen Versorgung, öffentliche Daseinsvorsorge verpflichtend machen; Gebärdensprachdolmetscher:innen in öffentlich-rechtlich Sendeanstalten verpflichtend machen“

Menschen mit Behinderung haben es bei uns in Deutschland noch immer sehr schwer. Es ist nicht der Mensch mit Behinderung selbst, sondern die Barrieren, die ihn umgeben. Sind es fehlende barrierefreie Zugänge, kleine Schriften an Bushaltestellen, unebene Fußgängerzonen, fehlende Sitzgelegenheiten, fehlende Gebärdensprachdolmetscher:innen oder anderes; es summiert sich zu Puzzleteilen, die eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft schwer bis unmöglich machen. Die UN-Behindertenrechtskonvention über die Rechte behinderter Menschen ist 2008 in Kraft getreten und wurde 2009 von Deutschland ratifiziert. Und trotzdem sind Menschen mit Behinderung bisher ein politisches Randthema. Barrierefreie Zugänge oder Vereinfachungen für Menschen mit Behinderungen werden auf die einzelnen Institutionen, Händler, Einrichtungen oder sonstiges übertragen. Im Koalitionsprogramm der Ampel-Koalition (Seite 61/62) ist ein kurzer Abschnitt über Inklusion enthalten. Allerdings lassen die Versprechungen bis dato auf sich warten. Inklusion ist ein Menschenrecht!

Forderung 16:

„Bundesweiter Mietenstopp und Mietanpassungen von Indexmieten verbieten“

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Und „Wohnen ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit“, davon sprach Olaf Scholz am 10. Juni 2021 auf dem Deutschen Mietertag. Der Koalitionsvertrag versprach jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen; davon 100.000 geförderte Wohnungen. Nicht 100.00 Sozialwohnungen. Ein kleiner feiner Unterschied. Verpackt in einer Mogelpackung. Der Koalitionsvertrag evaluiert und verlängert die geltenden Mieterschutzregelungen – jedoch kein Wort zum Kündigungsschutz. Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahre 2029 ausgedehnt werden. Aber eine wirksame Preisregulation für die rund 48 Millionen Mieterinnen und Mieter findet sich nicht. Dafür umso mehr Vorschläge für: Wie baue ich mir ein Haus? Sank die Zahl neuer Wohnungen im Jahr 2021 wieder unter 300.000, ist die Zahl des geringen sozialen Wohnraums weitaus bedenklicher.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_212_31121.html

Im Jahr 2020 wurden gerade mal 30.000 Sozialwohnungen fertiggestellt. Immer mehr fallen aus der Preisbindung heraus. Waren es 2002 noch rund 2,6 Millionen Wohneinheiten, reduzierte es sich in 2021 auf nur noch 1,1 Millionen. Wir brauchen in Deutschland aber rund 5 Millionen Sozialwohnungen.

https://de.statista.com/infografik/27264/bedarf-und-fertigstellung-von-wohnungen-in-deutschland/

Wohnungslosen Menschen: Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. spricht in ihrer Jahresgesamtzahl von rund 417.000 wohnungslosen Menschen im Jahr 2020. Rund 70% davon sind alleinstehend. 30% leben mit Partnerinnen und Partner und / oder Kindern zusammen. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. „schätzt die Zahl der Kinder und minderjährigen Jugendlichen auf 20.000“!

https://www.bagw.de/de/themen/zahl-der-wohnungslosen/index.html

Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Wer keine Wohnung hat, findet keine Arbeit. Armut und Wohnungsnot hängen unweigerlich zusammen. Wohnungslose Menschen sind zusätzlich oft ausgegrenzt und stigmatisiert; hier benötigt es besondere bundesweite vorrangige Maßnahmen, um gezielt wohnungslose Menschen wieder einen eigenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Führen Sie einen bundesweiten Mietenstopp ein! Preisbindungen müssen Preisbindungen bleiben! Und machen Sie aus „Geförderten“ = „Sozial“!, damit Wohnraum bezahlbar bleibt. Damit Menschen dort wohnen bleiben können, wo sie verwurzelt sind.

Forderung 17:

„Solidarische Mindestrente für Alters- und Erwerbsminderungsrentner:innen in Höhe von 1.400 Euro“ und Rentenniveau auf 53% erhöhen

Laut des Statistischen Bundesamtes hatten mehr als ein Viertel (27,8 Prozent) der Rentnerinnen und Rentner ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 EUR (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_N061_12_13.html). Nach den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung lag die durchschnittliche Bruttorente 2020 abzüglich des Beitrags zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, bei 1.210 Euro für Männer im Westen bzw. 1.300 Euro für Männer im Osten. Bei den Frauen lag sie bei 730 Euro im Westen und bei 1.075 Euro im Osten. Die durchschnittliche volle Erwerbsminderungsrente lag im selben Zeitraum bei 1.179 Euro für Männer im Westen und bei 1.249 Euro für Männer im Osten. Bei den Frauen waren es jeweils 741 Euro im Westen und 1.065 Euro im Osten. Im selben Zeitraum erhielten bundesweit 3,2% aufstockende Grundsicherung im Alter.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Sozialhilfe/grundsicherung.html;jsessionid=A6941A4967E6BE7448C041727518E453.live742

Ende 2021 haben rund 1,1 Millionen Menschen ergänzende Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen müssen, weil ihre Rente nicht ausreicht. Die Grafik zeigt eindeutig, dass die Zahl seit 2003 in beiden Bereichen steigt.

Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung nach Alter – Quelle: destatis

Bild: Balkendiagramm von Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung nach Altersgruppen in Tausend. Dargestellt sind die jeweils zwei Balken in Jahren ab 2005 bis 2021. Rechts ist die Anzahl der Empfänger in Zahlen bis 800 Tausend. Quelle mit Erklärung zu den Zahlen: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/04/PD22_180_228.html

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/04/PD22_180_228.html

Wer seine Rente mit der Grundsicherung aufstockt lebt in Armut. Ein Hinzuverdienst ist möglich. Im Jahr 2021 arbeiteten 12,9 Prozent der 65- bis unter 75-Jährigen, das sagen zumindest die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Also, rund jede oder jeder siebte Rentner. Es kann allerdings nicht jeder aus gesundheitlichen Gründen hinzuverdienen. Und doch arbeiten sehr viele nebenbei:

“Anstieg auf 1,05 Millionen. Immer mehr Menschen im Rentenalter arbeiten”

https://www.n-tv.de/panorama/Immer-mehr-Menschen-im-Rentenalter-arbeiten-article23332144.html

 

Im Koalitionsvertrag gibt es die Mindestrente nicht. Bündnis 90/Die Grünen schreibt: Schutz vor Altersarmut: Wer einen großen Teil seines Lebens gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt hat, muss eine Rente erhalten, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Insbesondere Frauen wollen wir besser vor Armut im Alter schützen.“

Am 22. Januar schreibt „Die Zeit“: „Die Gefahr von Altersarmut in Deutschland steigt. Im Vorjahresvergleich brauchen laut Statistischem Bundesamt zwölf Prozent mehr Bürger Unterstützung vom Sozialamt.“

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-01/sozialstaat-rente-grundsicherung-altersarmut-statistisches-bundesamt?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com

Randbemerkung: Bis heute wird im Bürgergeld weiterhin keine Rentenbeiträge bezahlt. Arbeitslosenzeiten sind heutzutage aber keine Seltenheit mehr. Aus diesem Grund muss auch in den Zeiten des Bezugs vom Arbeitslosengeld II in die Rentenversicherung erneut einbezahlt und zu den Rentenjahren gezählt werden. Weg mit den Abschlägen bei Erwerbsminderung! Wer krank wird, darf nicht noch bestraft werden. Weg mit dem Niedriglohnsektor. Nur gute Löhne schaffen gute Renten!

Rauf mit dem Rentenniveau auf 53 Prozent. Eine Rentenversicherung für alle: Beamte, Politikerinnen / Politiker und Selbstständige zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Und eine solidarische Mindestrente von 1.400 Euro! Damit niemand im Alter und bei Erwerbsminderung in Armut leben muss!

Forderung 18:

„Unbürokratische Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung zu jeder Zeit und in jedem Alter!“

Es gilt der Grundsatz: Jeder, der in Deutschland lebt, muss sich krankenversichern. Das gilt seit 2007 für die gesetzliche Krankenversicherung und seit 2009 für die private Krankenversicherung. Und wer keine hat, muss sich an ihre / seine letzte gesetzliche Krankenkasse wenden. Diese Kasse ist verpflichtet ehemals Versicherte wieder aufzunehmen (§ 174 Abs. 5 SGB V) – unabhängig des Gesundheitszustandes. Außenstehende Beiträge sind nachzuzahlen; im schlimmsten Fall der letzten vier (Verjährungsfrist) bis zu fünf Jahren – inkl. Säumniszuschläge. Laut des Statistischem Bundesamtes waren „im Jahr 2019 in Deutschland hochgerechnet rund 61 000* Personen nicht krankenversichert und besaßen auch keinen sonstigen Anspruch auf Krankenversorgung“.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_365_23.html

Sie führen weiter aus:

„Von den Personen ohne Krankenversicherungsschutz waren im Jahr 2019 knapp zwei Drittel Männer (64 % beziehungsweise 39 000 Personen), 36 % waren Frauen (22 000 Personen). Selbstständige (einschließlich mithelfende Familienangehörige) sowie erwerbslose Personen hatten – wie vor vier Jahren – besonders häufig keinen Krankenversicherungsschutz: Rund 0,4 % der Selbstständigen sowie 0,8 % der Erwerbslosen waren im Jahr 2019 nicht krankenversichert“.

Ausführliche Informationen finden sich darüber hier, sowie die Randbemerkung, *“Infolge des Korrekturlaufs reduziert sich die (hochgerechnete) Zahl der nicht krankenversicherten Personen in Deutschland im Jahr 2019 von rund 143 000 auf rund 61 000 Personen“.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitszustand-Relevantes-Verhalten/Publikationen/Downloads-Gesundheitszustand/krankenversicherung-mikrozensus-2130110199004.pdf;jsessionid=66A0D9402F5C6C92E7BDD7B30E9DF4EA.internet8721?__blob=publicationFile

Nach einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag (DR 19/11882) aus dem Jahr 2019 erhielten „im Jahr 2016 rund 24 000 Menschen Hilfen zur Gesundheit nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowie im Jahr 2017 schätzungsweise 106 000 Personen nur eingeschränkte Leistungen unterhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), da sie im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung versichert waren“. Die Anfrage ergab auch, dass die Bundesregierung keine Informationen darüber hat, wie viele Menschen ohne umfassenden Krankenversicherungsschutz sich in Deutschland aufhalten. Die Gründe für einen fehlenden Krankenversicherungsschutz sind unterschiedlich: Wohnungslosigkeit, Selbstständigkeit, Erwerbslosigkeit ohne Anspruch auf Grundsicherung. Eine Rückkehr in die Krankenversicherung ist dann nicht immer so einfach, wie es oftmals angenommen wird. Schulden häufen sich an. Diese können nicht auf einen Schlag zurückbezahlt werden und einen Rechtsanspruch auf Ratenzahlungen gibt es nicht. Oder die Krankenkassen geben höchstens gerne mal nur 6 Monate Zeit. Forderungen: Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung zu jeder Zeit und in jedem Alter – auch mit Schulden. Unbürokratische Rückkehrmöglichkeiten in die gesetzliche Krankenversicherung, wenn auch zuvor eine Versicherung in der privaten Krankenversicherung bestand. Insbesondere auch dann, wenn man in das Arbeitslosengeld II fällt. Übernahme der Versicherungsbeiträge im notwendigen Umfang in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie in der Pflegeversicherung, um einen Krankenversicherungsschutz im vollen Umfang zu gewährleisten, sofern kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder sonstige Sozialleistungen besteht.

Forderung 19:

„Bildungschancengleichheit für alle“

Noch immer ist es so, dass gute Bildung vom eigenen Geldbeutel oder vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist. Das zeigt auch deutlich der Bildungstrichter:

Bild: Zwei Trichter. Links: Nichtakademikerkinder, rechts: Akademikerkinder. In der Mitte zwischen den Trichtern steht: Grundschüler, Studienanfänger 2007 bis 2009, Bachelorabsolventen 2012, Masterabsolventen 2014, Promotionsabsolventen 2014. Die Trichter zeigen jeweils in Prozent die Teilnahme an. Nichtakademikerkinder: 100, 21, 15, 8, 1. Akademikerkinder: 100, 74, 63, 45, 10. Quelle: https://www.hochschulbildungsreport2020.de/chancen-fuer-nichtakademikerkinder

Auch zu empfehlen: Arbeiterkind, für alle, die als Erste in ihrer Familie studieren:

https://www.arbeiterkind.de/sites/default/files/arbeiterkind.de_jahresbericht_2020.pdf

Es gibt bisher unterschiedliche Fördermöglichkeiten: (Schüler-BAföG, Stipendien, BAföG, Umschulungen, Berufsausbildungsbeihilfe, ergänzendes Bürgergeld). Allerdings hat der Paritätische eine aktuelle Expertise veröffentlicht, dass 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland von Armut betroffen sind: „Von den alleinlebenden Studenten und Studentinnen sind es sogar vier von fünf, die in Armut leben. Überproportional von Armut betroffen seien dabei nicht nur Ein-Personen-Haushalte (80 Prozent), sondern auch Studierende im BAföG-Bezug (45 Prozent)“.

https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/PaFo-2022-Armut_von_Studierenden.pdf

Am 23. Juni 2022 wurde eine BAföG-Reform auf den Weg gebracht mit dem Ziel die Zahl der BAföG-Berechtigten zu erhöhen, um eine breitere Klasse in der Bevölkerung damit zu erreichen. Die BAföG-Sätze steigen um 5,75 Prozent, die Freibeträge um 20,75 Prozent und der Wohnzuschlag für auswärts Wohnende soll bei 360 Euro liegen. Nun kann man nicht sagen, dass es DEN einen BAföG-Satz gibt. Den gab es noch nie. Er ist und war immer abhängig von Versicherungsbeiträgen und der eigenen Wohnform. Aus diesem Grund sprechen wir hier von Summen zwischen 812 Euro bis 1.000 Euro (gerundet) auswärts wohnend und 510 Euro bis 710 Euro bei Eltern wohnend. In allen Beträgen sind jedoch die Lebenshaltungs-, und Mietkosten enthalten. Selbige Rechnung kann man nun für Schüler-BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe bei Auszubildenden, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen sowie bei Weiterbildungen, die z.B. über die Jobcenter oder Arbeitsagenturen finanziert werden, aufstellen. Bei all diesen Beispielen befinden wir uns jedoch zwischen 300 Euro und rund 488 Euro Abstand zur Armutsschwelle (Armutslücke). Diese lag für eine alleinlebende Person 2020 bei 15.602 Euro jährlich.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Lebensbedingungen-Armutsgefaehrdung/Tabellen/armutsschwelle-gefaehrdung-mz-silc.html;jsessionid=22E99A11741481BAB9ACC67D9AA2D3C7.live742

Natürlich kann argumentiert werden: „früher haben wir neben dem Studium gejobbt.“ Und natürlich tun das auch heute noch viele Studierende.

“Studienfinanzierung: Drei Viertel der Studenten haben einen Nebenjob”

https://www.experten.de/2021/06/studienfinanzierung-drei-viertel-der-studenten-haben-einen-nebenjob/

 

Wer eine Ausbildung, ein Studium oder eine Weiterbildung absolviert bzw. eine Schule besucht, muss die finanzielle Sicherheit haben, dass sie oder er diese nicht in Armut verbringt. Die Konzentration muss auf der Ausbildung liegen, nicht auf das zwanghafte Erbringen der finanziellen Mittel, um diese irgendwie finanzieren zu können.

Forderung 20:

„Erwerbslosen- und Armutsausschuss im Bundestag einrichten“

Im Bundestag sitzen sehr wenige Menschen mit Armutserfahrung oder Erfahrungen mit längerer Erwerbslosigkeit und deren langjährigen Folgen. Die Erfahrungen zeigen, dass über die von Armut Betroffenen gesprochen wird anstatt mit ihnen. Das wollen wir ändern und fordern aus diesem Grund einen Erwerbslosenausschuss im Bundestag. Dieser soll mindestens auf Kosten des Bundestages (Übernahme Fahrt- und mögliche Übernachtungskosten) einmal jährlich zusammentreffen. Die Zusammensetzung soll paritätisch aus jeweils 5 Vertreter:innen pro Bundesland bestehen. Ziel des Ausschusses ist der gegenseitige Austausch mit MdBs-Vertreterinnen und Vertreter, insbesondere aus dem Ausschuss für Soziales und Arbeit sowie MdBs für Menschen mit Behinderung und Migrantinnen und Migranten. Die Auswahl der Vertreterinnen und Vertreter im Erwerbslosen- und Armutsausschuss erfolgt jeweils Parteilos-, Sozial- und Wohlfahrtsverbandsfrei, Stiftungen und unabhängiger Lobbyverbände.

Alle Forderungen in der Übersicht findest du hier.

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