Anna* (48) und Finn* (47) lieben sich und sind sich einig, dass sie zusammenziehen wollen. Ihr bisheriges Arbeitsleben meinte es nicht gut mit ihnen. Während der Corona-Pandemie schloss der Betrieb von Anna. Durch Misswirtschaft ging das Unternehmen, in dem Finn arbeitete, Konkurs. So sehr sie sich auch bemühten, unzählige Bewerbungen schrieben, eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt ergab sich bisher nicht. Anna bezieht seit 22 Monaten Arbeitslosengeld II, Finn seit 13 Monaten. Nun ergab sich, dass sie ihre Traumwohnung gefunden haben. Die Traumwohnung liegt sogar im Rahmen der angemessenen Miete, die das Jobcenter übernimmt. So viel Glück auf einmal.

Nun stellt sich die Frage, bilden beide zukünftig eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft? Bisher leben sie alleine und bilden jeder für sich eine alleinige Bedarfsgemeinschaft. Somit erhalten sie jeweils 502 Euro Bürgergeld von dem sie ihre Lebenshaltungskosten, inklusive Strom bestreiten müssen sowie ihre angemessene Miete für ihre bisherige eigene Wohnung. Von Freunden hören sie, dass sie weniger Geld bekommen, wenn sie zusammenziehen. Ist das so?

Das Sozialgesetzbuch II gibt darüber im § 7 Abs. 3 erstmal grundsätzliche Antworten. Zu einer Bedarfsgemeinschaft gehört mindestens ein*e erwerbsfähige Person. Hinzukommen können, Eltern oder Elternteile, die mit ihren unter 25-jährigen unverheirateten Kindern in einem Haushalt zusammenleben. Natürlich gehören auch Ehepartner*innen oder Lebenspartner*innen, die in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft zusammenleben dazu.

Hätten Anna und Finn unverheiratete Kinder unter 25 Jahren würden auch sie zur Bedarfsgemeinschaft zählen. Die Tage flossen so dahin und Anna saß mit ihrer Freundin Pia zuhause bei einem gemütlichen Kaffee zusammen. „Du weißt aber schon, dass du und Finn eine eheähnliche Gemeinschaft für das Jobcenter bilden, oder?“, meinte Pia zu Anna. Anna stutzte. Was meinte Pia jetzt damit? Eheähnliche Gemeinschaft? Sie will Finn doch nicht gleich heiraten, so lieb er ja ist. Ein bisschen Kennlernzeit möchten sie sich noch geben. Und muss man heute noch heiraten? Fragen über Fragen wirbelten in ihrem Kopf herum. Auch hier hat das Sozialgesetzbuch mit dem § 7 Abs. 3 Nr. 3c eine klare Antwort:

„Eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen“.

Geht es noch komplizierter? Einfach ausgedrückt, bedeutet es nichts anderes als dass erst dann eine eheähnliche Gemeinschaft besteht, wenn zwischen den Partnern der wechselseitige Wille des Füreinandereinstehens gegeben ist. Erst dann dürfen sie wie Eheleute oder gleichgeschlechtliche Partner*innen angesehen werden. Ja, aber, denkt sich Anna. Sie und Finn stehen füreinander ein. Sind sie jetzt für das Jobcenter „Eheleute“, oder nicht? Anna weiß nämlich schon immerhin, dass sie weniger Bürgergeld erhalten, wenn sie beide ihr Singledasein aufgeben. Aus den 502 Euro werden dann nur noch jeweils 451 Euro. Das sind 51 Euro für jeden weniger und somit als Paar 102 Euro. Eine Menge Kohle, denkt sich Anna. Rund 50 Euro weniger auf dem Konto ist happig. Anna hat davon eine Woche gegessen oder davon einen Teil ihrer Stromrechnung bezahlt. Finn und Anna geben nicht auf und besuchen nochmals eine Erwerbslosenberatungsstelle vor Ort. Zum Glück gibt es diese. Dort angekommen, werden sie freundlich begrüßt und sie hören, dass ihre Frage keine neue Frage ist. Die Beraterin erklärt ihnen, dass das Gesetz ganz klar auch sagt, dass eine Bedarfsgemeinschaft erst angenommen werden darf, wenn sie länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Satz 1 SGB II).

Das Ergebnis: Anna und Finn bleiben, wenn sie demnächst zusammenziehen, jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft. Zumindest für ein Jahr. Beide atmen auf. Ein Jahr Schonfrist, ein Jahr etwas mehr Geld und ein Jahr Hoffnung in der Zeit eine neue Tätigkeit zu finden. Irgendwer wird doch eine erfahrene Grafikerin und einen erfahrenen Industriekaufmann benötigen.

*Fallbeispiele in unseren Artikeln sind rein fiktiv und dienen nur zum besseren Verständnis der Inhalte. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Behörden, sowie aktuellen Fällen sind rein zufällig.

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