** Update ** 1. Februar 2023 ** Bis heute haben wir leider aus dem Bundesfamilienministerium weder eine Reaktion noch eine Antwort erhalten **
31. Juli 2022
Sehr geehrte Bundesfamilienministerin Lisa Paus
Am 19. Juli stellten Sie gegenüber dem Nachrichtenportal „t-online“ eine Erhöhung des Kindergeldes in Aussicht: „Dies sei, neben einer Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze, ein Weg, um ärmere Familien zielgenau zu unterstützen. Ärmere Familien mit Kindern gehörten definitiv zu der Gruppe, die weiter entlastet werden muss”. Zunächst ist es löblich, dass Sie eine Erhöhung des Kindergeldes erwägen. Wir möchten jedoch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen:
Die Anrechnung des Kindergeldes auf die Grundsicherung beim Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) und in der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch XII (im Alter und bei Erwerbsminderung) – was hier insbesondere frühzeitige erwerbsgeminderte Eltern betrifft. Die Anrechnung des Kindergeldes wird sich im neuen Bürgergeld vermutlich fortsetzen, bis die Kindergrundsicherung umgesetzt wird. Die Anrechnung erfolgt bei beiden Sozialgesetzbüchern regelmäßig beim Kind. Es wird wie ein Einkommen berücksichtigt. Das ist eigentlich systemwidrig, da kindergeldberechtigt im Regelfall ein Elternteil ist. So geht jede positive Kindergelderhöhung spurlos an den Leistungsberechtigten in den Grundsicherungen vorbei. Sie haben schlichtweg nichts davon. Sie werden sogar gegenüber Nicht-Grundsicherungsleistungsberechtigten benachteiligt. Die Einkommensschere geht damit noch weiter auseinander und die Armut dieser Kinder wird damit nicht beendet. Somit sind Ihre oben genannten Zitate für rund 1,5 Millionen Kinder in Hartz IV obsolet. Da die Kindergrundsicherung auch erst in 2025 kommen soll, stellt sich für uns die Frage: Welchen Respekt zollen Sie gegenüber den Kindern und deren Eltern in den Grundsicherungen und wie wollen Sie hier der Armut entgegenwirken?
Als Bundesfamilienministerin tragen Sie die Verantwortung auch für Kinder aus armutsbetroffenen Familien. Jede Erhöhung von Kindergeld, Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss ist für armutsbetroffene Familien nicht on Top, wie allgemein angenommen wird.
Es darf nicht sein, dass Unterhalt, Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Schülerjobs angerechnet werden. Dieses Geld dient dazu Kinder chancengleich großzuziehen und nicht dazu, dass Eltern sich davon ernähren, oder die Miete, Strom und Rechnungen zahlen müssen.
Es ist ein falsches Signal, dass Sie als lehrende Politikerin den Kindern und Schülern vermitteln. Chancengleichheit gilt nicht für 1,5 Millionen Kinder aus armutsbetroffenen Familien in Hartz IV. Das ist das, was Kinder nämlich lernen.
In Deutschland herrscht Fachkräftemangel, es werden nicht ausreichend Facharbeiter/-innen ausgebildet. Um sich auf die Schule und auf die Ausbildung konzentrieren zu können, benötigen Kinder ein stabiles finanzielles Umfeld, das jede Bildungsmöglichkeit einschließt. Dazu gehört auch ein voller Magen und die entsprechende (technische) Ausrüstung sowie Eltern, die in der Lage sind mit allen Mitteln zu unterstützen.
Ein Handwerker ist nur so gut wie sein Werkzeug. Ohne Werkzeug kann ein Handwerker nicht wettbewerbsfähig arbeiten. Wir brauchen keine neuen Arbeitnehmer/-innen im Niedriglohnsektor, sondern wir brauchen Facharbeiter/-innen.
Es liegt an Ihnen Frau Paus, den zukünftigen 1,5 Millionen Facharbeiter/-innen das nötige Handwerkszeug an die Hand zu geben, damit sie Schule und Ausbildung erfolgreich absolvieren können. Und das nötige Handwerkszeug bedeutet in diesem Fall Geld.
Die Politik muss endlich vorausschauend agieren statt mit Verspätung von Jahren zu reagieren (Mindestlohnerhöhung). Es ist Ihre Aufgabe als Bundesfamilienministerin für alle Teile der Bevölkerung zu sorgen und nicht nur zum Wohl Weniger.
Beenden Sie die Anrechnung des Kindergeldes bei den Grundsicherungen nach dem SGB II und dem SGB XII. Gegen Armut hilft nur Geld!
Mit freundlichen Grüßen
Nicola Dülk, Inge Hannemann