Armut isoliert - eine Frau sitzt mit angezogenen Beinen an der Wand und vergräbt ihr Gesicht im Schoß

Armut isoliert

Armut, Stigmatisierung, Ausgrenzung, Erwerbslosigkeit, Inflation, Einsamkeit, Scham, Isolation und soziale Ungleichheit sind Stichworte, die von Armut oder von Armut Bedrohte betroffene Menschen beschäftigen. Zahlreiche Studien, Artikel und schlaue Köpfe weisen seit Jahrzehnten daraufhin, dass das den sozialen Frieden gefährdet und die Gesellschaft spaltet. Nach der EU-Definition für EU-SILC gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 60 Prozent des mittleren monatlichen Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung hat (Schwellenwert der Armutsgefährdung). Für eine alleinstehende Person lag dieser Schwellenwert 2021 bei 15.009 Euro netto (1.251 Euro / Monat), für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 31.520 Euro netto im Jahr (2.627 Euro / Monat) .

Ein paar Zahlen: Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2021 in Deutschland rund 13 Millionen Menschen armutsgefährdet. „Das entspricht 15,8 Prozent der Bevölkerung Deutschlands.“ Es gibt unterschiedlichste Gründe in die Armut zu fallen: Erwerbslosigkeit, prekäre abhängige Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor, Multijobber, Armutsrente, Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, Migrationshintergrund, unsicherer Aufenthaltstatus, die dauerhafte Pflege von Angehörigen, Scheidung, Alter, Behinderungen oder chronische Erkrankungen. Insbesondere sind Erwerbslose, Alleinerziehende und Migrant:innen von Armut betroffen. So waren nach den Zahlen des Statistischen Bundesamt im Jahr 2021 rund jede zweite erwerbslose Person armutsgefährdet (47 Prozent).

Zum Vergleich: Bei den Erwerbstätigen lag die Quote bei 8,6 Prozent . Mehr als ein Viertel der alleinerziehenden Haushalte (26,6 Prozent) konnten ebenfalls zu den armutsgefährdeten Menschen gezählt werden . 2021 war die Armutsgefährdungsquote von Menschen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch (29 Prozent) wie das von Menschen ohne Migrationshintergrund (12,5 Prozent). Eine höhere Armutsgefährdungsquote haben dabei ausländische Menschen mit Migrationshintergrund (35,3 Prozent) als deutsche Menschen mit Migrationshintergrund (22,4 Prozent) . Kommen wir noch zu den Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Laut Statista wächst mehr als jedes fünfte Kind (20,8 Prozent) in Deutschland in Armut auf . Das sind 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Und zu guter Letzt: Unsere Rentner:innen. 2021 waren 17,4 Prozent armutsgefährdet .

Drei Arten von Armut

Was ist Armut? Zumeist wird zwischen absolute und relative Armut unterschieden. Die absolute Armut orientiert sich daran, ob ein Mensch in der Lage ist seine materiellen Grundbedürfnisse zu decken. Bei der relativen Armut liegt das Einkommen eines Menschen unter dem durchschnittlichen Einkommen eines Landes. Somit orientiert sich die relative Armut am sozialen Umfeld eines Menschen und bezieht sich dabei auf die soziale Ungleichheit.

Ich las mal den Begriff der „gefühlten Armut“, der sich nicht an Einkommensgrenzen orientiert. Vielmehr ist diese gefühlte Armut ein subjektives Gefühl, wenn sich die oder der Betroffene wegen seiner finanziellen Situation ausgegrenzt und / oder diskriminiert fühlt. Alle drei Umschreibungen haben eines gemeinsam: Wir sprechen hier von Armut, die von gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt und so keine Chancengerechtigkeit vorhanden ist. Das ist nicht nur die fehlende Bildungschancengleichheit bei den Kindern, sondern trifft auch gleichermaßen auf die Erwachsenen zu, wenn ihnen Kultur, Weiterbildung, Wohnen oder Gesundheitsfürsorge verwehrt bleiben, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Es betrifft im Übrigen nicht nur Menschen ohne Erwerbstätigkeit, sondern auch immer mehr Menschen, die erwerbstätig sind.

Knapp jede:r Zwölfte Erwerbstätige:r ab 18 Jahren lebte 2021 unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Sie erzielen ein so geringes Einkommen, dass sie als armutsgefährdet gelten . Deren eigene Möglichkeiten sind begrenzt, um dem zu entkommen: Entweder sie nehmen einen zweiten Job an oder sie stocken mit dem Bürgergeld (Hartz IV) auf, um so ein wenig mehr Geld auf ihrem Konto zu haben. Stocken sie mit dem Bürgergeld auf, subventionieren sie, ungewollt, den noch vorherrschenden Niedriglohnsektor und das Unternehmen, in dem sie beschäftigt sind. Das Unternehmen stößt sich reich auf Kosten der Steuerzahler:innen und auf Kosten der Arbeitnehmer:innen. Das ist strukturelle Armut, aus der möglicherweise eine Altersarmut folgt. Die Alternative wäre, das Unternehmen zu boykottieren, um dann jedoch gesellschaftlich als Sozialschmarotzer zu gelten, weil Bürgergeld bezogen wird.

Es wird viel über Armut gesprochen. Allerdings wird wenig mit den von Armut Betroffenen gesprochen und währenddessen die soziale Ungleichheit immer größer wird. Unsere Regierung versucht mit kleineren Reparaturen und neuen Wortschöpfungen, aus Hartz IV wird Bürgergeld, die Armutsverhältnisse notdürftig zu flicken. Ein bisschen Erhöhung des Bürgergeldes und eine Erhöhung des Mindestlohnes, der trotzdem in die Altersarmut führt. Vergegenwärtigen wir uns nochmals, dass aktuell jedes fünfte Kind in Armut aufwächst. Eine Kindergrundsicherung soll dessen ungeachtet erst zu 2025 umgesetzt werden.

Die soziale Ungleichheit steigt rasant

Oxfam“ schreibt:

„Konzerne machen Rekordgewinne und die reichsten Menschen werden noch reicher, was zu einer Explosion der sozialen Ungleichheit führt, die immer extremere Ausmaße annimmt“ .

81 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses, der zwischen 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, flossen an das reichste Prozent der Bevölkerung. Die restlichen 19 Prozent des Zuwachses entfielen auf die übrigen 99 Prozent der Bürger:innen, so Oxfam weiter. Oxfam sieht die Ursachen der verschärfenden Ungleichheit in unserem Wirtschaftssystem, „dessen handlungsleitendes Prinzip es ist, Profite für Konzerne und ihre Eigentümer*innen vor die konsequente Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Erde zu stellen“.

Jeder weiß inzwischen, dass das Vermögen der deutschen Bevölkerung total ungleich verteilt ist, bedenkt man allein, dass gut ein Drittel dieses Vermögens einem Prozent der Bevölkerung gehören . Unter dem Kabinett Helmut Kohl V (CDU) wurde 1997 die bis dato erhobene Vermögenssteuer abgeschafft. Die aktuelle Erbschaftssteuer führt dazu, dass Erb:innen, die über zehn Millionen erben, gar keine Steuern darauf bezahlen müssen. Der größte Teil unserer Steuern wird über Verbrauchssteuern, wie die Mehrwertsteuern eingenommen (44 Prozent). Die Steuer auf Vermögen liegt gerade mal bei vier Prozent und Steuern für Unternehmen auf etwa 14 Prozent (Oxfam). Das bedeutet, dass unser Steuersystem neu gestaltet werden muss. Ein Schritt ist die Einführung der Reichensteuer (Vermögenssteuer), um eine damit verbundene Umverteilung die Ungleichheit zu verringern. Ein weiterer Schritt ist die Einführung einer Übergewinnsteuer auf Gewinne der Händler und Energiekonzerne, die durch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise profitieren.

Und noch ein weiterer Gedanke ist der Begriff der Arbeit: Eingeredet wird uns, dass wir mit einer unterstützenden Beschäftigungspolitik „Arbeit für alle“ aus der Armut entkommen. Dabei wird übersehen, dass wir damit die kapitalistischen Unternehmen fördern und begünstigen und den Rest dem Markt überlassen. Es ist eine Interessenspolitik für die Unternehmen und für die reichen Menschen, solange unsere Lohnpolitik an der Armutsgrenze entlang schlittert.

Gegen Armut hilft Geld

Es muss verstanden werden, dass man Armut nur mit Geld begegnen kann. Gegen zu wenige Wohnungen hilft Geld für Investitionen in mehr Wohnungen, gegen ungleiche Gesundheitschancen helfen Investitionen in Prävention und eine flächendeckende, bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung. Das lässt sich beliebig für die Bereiche Bildung, Kinder oder Mobilität fortsetzen. Wer arm ist, ist von sozialer Ausgrenzung bedroht oder bereits ausgegrenzt. Es ist eine Folge von Armut. Eine Ausgrenzung liegt immer dann vor, wenn die soziale Inklusion nicht gegeben ist. Die Ausgrenzung findet gezwungenermaßen statt; selbst dann, wenn die Armen sich um Inklusion bemühen. Aufgrund zu enger finanzieller Mittel funktioniert es nicht. Armut ist ein Vollzeitjob – 24/7.

Und schlussendlich geht es für die von Armut Betroffenen auch darum: Wer Geld hat, für den ist es leichter, sich irgendwo zu beteiligen, sich ein Netzwerk aufzubauen, sich Internet leisten zu können, um auf diese Weise für seine Belange einzutreten. Wer das nicht hat, muss sich darauf verlassen können vertreten zu werden. Und daran hapert es gewaltig.

geschrieben v. I. Hannemann

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